Projektbeschreibung
Die Erzeugung laserbeschleunigter Ionenstrahlen und deren mögliche Anwendungen in der Tumortherapie, der Materialanalyse und der Trägheitsfusion ist ein Gebiet, auf dem seit etwa 20 Jahren weltweit aktiv geforscht wird. Entscheidende Fortschritte in der Lasertechnik haben uns auf dem Weg zur praktischen Nutzung solcher Teilchenstrahlen in den letzten Jahren deutlich vorangebracht. Dieses Projekt beschäftigt sich mit der Entwicklung von Skalierungsgesetzen und der Anwendung von Machine Learning Methoden zur Optimierung der für Anwendungen relevanten Parameter laserbeschleunigter Ionenstrahlen.
Interview mit Prof. Dr. Florian Wasser: Forschung an der IU: Ein Blick hinter die Kulissen (2/3). Wie lassen sich Lehre und Forschung vereinen?
01.10.2022 - 31.05.2024
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Seit der Entwicklung des ersten Rubinlasers von T. Mainman in den 1960er Jahren (T. H. Maiman 1969) sind Laser zu einem wichtigen Werkzeug unserer modernen Gesellschaft geworden mit zahlreichen Anwendungen in Industrie, Forschung und im täglichen Leben. Wichtige Einsatzgebiete liegen unter anderem in der industriellen Fertigungstechnik (z.B. Laserschneiden, Schweißen und Bohren), in der Medizintechnik (z.B. Tumortherapie und Augenlasern) in der chemischen Analytik (z.B. Spektrometrie oder Absorptionsspektroskopie) und in diversen Alltagsgeräten (z.B. Laserpointer, Laserdrucker, Scanner-Kassen und Distanzmesser) (Sigrist 2018).
Die ständige Weiterentwicklung der Lasertechnik erweitert das Spektrum möglicher Anwendungen kontinuierlich. Ein wichtiger Meilenstein war die Entwicklung der sogenannten chirped pulse amplification (CPA, dt. Verstärkung zeitlich gestreckter Pulse) (D. Strickland and G. Mourou 1985), die im Jahr 2018 mit dem Physik-Nobelpreis honoriert wurde (Mourou 2019).
Die CPA-Technik lieferte die Voraussetzung für bisher unerreichte höchste Laserleistungen im Petawatt-Bereich (Danson et al. 2004) und legte damit den Grundstein für einen Mechanismus zur Beschleunigung von Teilchen mit Lasern (Snavely et al. 2000). Dabei entstehen bei der Wechselwirkung eines ultraintensiven Laserpulses mit einer Festkörperprobe elektrische Felder in der Größenordnung von TV/m, wodurch Materie von der Probenrückseite ionisiert und auf Energien von mehreren MeV beschleunigt wird (siehe Abbildung 1). Solche Laser-Teilchenbeschleuniger stellen eine kompakte Alternative zu konventionellen Beschleunigeranlagen dar und machen damit Teilchenstrahlen, welche bisher aufgrund der Größe und Komplexität entsprechender Anlagen weitgehend auf die Nutzung in der Grundlagenforschung beschränkt waren, für ein breiteres Spektrum an Anwendungen interessant. Besonders vielversprechend sind dabei aktuell untersuchte Anwendungsmöglichkeiten in der Krebstherapie (Kroll et al. 2022), neue Methoden zur Materialanalyse (Zimmer et al. 2022) oder die Verwendung als „Zünder“ im Rahmen der Trägheitsfusion zur Energiegewinnung (Roth et al. 2001). Die speziellen Eigenschaften der Teilchenstrahlen lassen dabei erhebliche Vorteile in den genannten Anwendungsgebieten im Vergleich zu herkömmlichen Methoden erwarten. Beispielsweise die Ionenstrahltherapie zur Behandlung von Tumoren ermöglicht eine deutlich höhere Präzision und damit eine bessere Schonung des umliegenden gesunden Gewebes verglichen mit der konventionellen Bestrahlung mit Röntgenstrahlen (Universitätsklinikum Heidelberg: Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum (HIT) 2022).
In den letzten 20 Jahren wurden in zahlreichen experimentellen und theoretischen Untersuchungen die Grundlagen dieser und weiterer Anwendungsfälle erforscht (Wilks et al. 2001; Tajima et al. 2009; Mackinnon et al. 2006; Fuchs et al. 2006; Borghesi et al. 2006; Daido et al. 2012; Macchi 2017; Wagner et al. 2016), ein Durchbruch bei der Realisierung über die Grundlagenforschung hinaus war allerdings bisher nicht möglich. Grund dafür waren vor allem technische Limitierungen, welche die Repetitionsrate von verfügbaren Petawatt-Lasersystemen bisher auf ca. einen Puls pro Stunde beschränkten. Dagegen erfordert eine praktische Nutzung der Teilchenstrahlen in Industrie oder Medizin Pulsraten im Bereich von 0,1 – 10 Hz.
In der Zwischenzeit wurden in der Lasertechnik allerdings entscheidende Fortschritte gemacht und es befinden sich aktuell erste Petawatt-Lasersysteme mit hohen Repetitionsraten im Hz-Bereich in Realisierung (Danson et al. 2019; Lureau et al. 2020; ELI Beamlines 2022; HANK HOGAN 2020). Insbesondere im Rahmen der Extreme Light Infrastructure (ELI) – einer kooperativen europäischen Forschungs-infrastruktur mit Standorten in der Tschechischen Republik, Ungarn und Rumänien – sind aktuell mehrere neuartige Hochleistungslasersysteme in Entwicklung (ELI Laser 2022). Neben Grundlagenforschung konzentrieren sich geplante Forschungsprogramme hier besonders auf die Realisierung von Anwendungen, wie z.B. die Nutzbarmachung laserbeschleunigter Teilchenstrahlen in Industrie und Medizin.
Eine entscheidende Voraussetzung für die technische Nutzung laserbeschleunigter Teilchenstrahlen ist eine präzise Kontrolle deren Eigenschaften (insbesondere Teilchenzahlen, Energiespektrum der Teilchen und Maximalenergie). Zahlreiche experimentelle Untersuchungen der letzten 20 Jahre an verschiedenen Forschungsanlagen weltweit zeigen, dass diese Eigenschaften von einer Vielzahl von Parametern abhängen (Borghesi et al. 2006; Daido et al. 2012; Macchi 2017). Hierzu zählen insbesondere die Laserparameter Energie, Pulsdauer- und Form, räumliches Strahlprofil und Intensität, sowie die Beschaffenheit und Geometrie der Probe. Während die bisherigen Modelle und Simulationen zu dem Beschleunigungsmechanismus zwar qualitative Erklärungen für die meisten experimentellen Ergebnisse liefern, sind diese allerdings kaum geeignet quantitative Vorhersagen für relevanten Parameter zu treffen (Passoni et al. 2010; Babaei et al. 2017; Xiao et al. 2018; Zimmer et al. 2021).
Ziel dieses Forschungsvorhabens ist eine Entwicklung von Skalierungsgesetzen, die eine quantitative Vorhersage der für Anwendungen relevanten Parameter laserbeschleunigter Ionenstrahlen ermöglichen. Fokus liegt dabei vor allem auf den Anwendungen Materialanalyse, Krebstherapie und Trägheitsfusion als Energiequelle. Solche Vorhersagen sind unabdingbar bei der Auslegung und Planung von künftigen Lasersystemen und Anlagen. Darüber hinaus sind sie Grundvoraussetzung, um im Betrieb der Anlagen die Zielparameter der Teilchenstrahlen durch Variation der Laser- und Probenparameter systematisch einzustellen und damit die gewünschten Effekte (z.B. Zerstörung von Tumorgewebe bei maximaler Schonung des gesunden umliegenden Gewebes, Zündung einer Fusionsreaktion zur Energiegewinnung, Zerstörungsfreie Materialuntersuchung) zu erreichen. Des Weiteren soll die Anwendbarkeit von Machine Learning Methoden bei der Nutzung laserbeschleunigter Teilchenstrahlen untersucht werden.
Literaturverzeichnis
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Xiao, K. D.; Zhou, C. T.; Jiang, K.; Yang, Y. C.; Li, R.; Zhang, H. et al. (2018): Multidimensional effects on proton acceleration using high-power intense laser pulses. In: Physics of Plasmas 25 (2), S. 23103. DOI: 10.1063/1.5003619.
Zimmer, M.; Scheuren, S.; Ebert, T.; Schaumann, G.; Schmitz, B.; Hornung, J. et al. (2021): Analysis of laser-proton acceleration experiments for development of empirical scaling laws. In: Physical review. E 104 (4-2), S. 45210. DOI: 10.1103/PhysRevE.104.045210.
Zimmer, Marc; Scheuren, Stefan; Kleinschmidt, Annika; Mitura, Nikodem; Tebartz, Alexandra; Schaumann, Gabriel et al. (2022): Demonstration of non-destructive and isotope-sensitive material analysis using a short-pulsed laser-driven epi-thermal neutron source. In: Nat Commun 13 (1), S. 1173. DOI: Literaturverzeichnis10.1038/s41467-022-28756-0.
Prof. Dr. Florian Wasser, Professor für Wirtschaftsingenieurwesen (IU Internationale Hochschule), florian.wasser@iu.org
Prof. Dr. Kristina Schaaff, Professur für Digitale Transformation mit Schwerpunkt AI (IU Internationale Hochschule), kristina.schaaff@iu.org
Prof. Dr. Christian Müller-Kett, Professur für Data Science (IU Internationale Hochschule), christian.mueller-kett@iu.org
Prof. Dr. Thomas Zöller, Professur für Data Science und Artificial Intelligence (IU Internationale Hochschule), thomas.zoeller@iu.org