Wie hilft ChatGpt bei der Gründung?
Wie wird sich der Prozess der Gründung in nächster Zukunft verändern?
Mit diesen und noch viel mehr Fragen beschäftigt sich Prof. Dr. Nicolai Krüger, Professor für Wirtschaftsinformatik, seit Jahren. In diesem Interview gibt er uns einen kleinen Einblick in das spannende Thema „Gründungintelligenz“ und Ideen, wie das Start-up von morgen aussehen könnte.
Artikel | Lesezeit: 3 Min. | 18. Apr 2023, verfasst von Sabrina
Interview mit Prof. Dr. Nicolai Krüger
Lieber Nicolai,
vielen Dank für Deine Zeit uns dieses Interview zu geben!
Du unterrichtest als Professor für Wirtschaftsinformatik an der IU Internationale Hochschule, bist Autor des Buches „Gründungsintelligenz: Entrepreneurship im KI-Zeitalter“ und hast pitchnext gegründet, ein Unternehmen, das Innovationslösungen auch für Start-ups gestaltet. Außerdem warst Du bereits Speaker bei zahlreichen Veranstaltungen, unter anderem auch bei Experts@IU zum Thema „Gründungsintelligenz und ChatGPT" und als Pitch-Trainer bei den we Female Founders.
Nicolai, Du bist Experte zum Thema „Gründungsintelligenz“, aber was ist das überhaupt?
Im vergangenen Herbst habe ich mich mit Startup-Strukturen, KI und dabei vor allem dem was ich mit meinen Forschungskolleg*innen „Plug and Play AI“ nenne beschäftigt. Dabei geht es um KI, die nicht von 0 auf programmiert und berechnet wird, sondern um den Einsatz vorhandener, KI-basierter Tools. Wir haben uns die Frage gestellt: Beflügelt die Verfügbarkeit dieser Tools nicht die Power von Gründungsteams? Auf der akademischen Seite ist daraus das Paper „Plug and Play AI“ geworden (wird vermutlich im September final publiziert sein). Pragmatisch habe ich dies in den Begriff Gründungsintelligenz übersetzt. Es geht also um die Nutzbarmachung Künstlicher Intelligenz im Gründungsprozessen. Das kann auf vielen Ebenen geschehen: Beispielsweise kann die Idee selbst an KI anknüpfen (meist von Gründer*innen aus dem Informatik/Wirtschaftsinformatik/Mathematik-Umfeld). Oder aber KI kann ein „Enabler“ sein, also zum Beispiel ein KI-basiertes StartUp für ein Spezialproblem im Serviceumfeld. Hier würde das StartUp auf bewährte KI-Modelle zurückgreifen, um eine gegebene Fragestellung zu lösen. Und letztlich das recht neue Feld des Prompt Engineerings oder AI-Operators: Hierbei geht es darum, die richtigen KI-Werkzeuge intelligent zusammenzustöpseln. Ein Beispiel hierfür wäre, dass z.B. Social Media – Agenturen bislang sehr ertragreich im Markt unterwegs waren. Die KI-basierte Variante hiervon wäre nun ein möglichst vollautomatisiertes Unternehmen, das Dienste wie ChatGPT und Midjourney in ein optimiertes Service Bundle kombiniert. Hierdurch entstehen auch ganz neue Chancen für unterschiedliche Gründungstypen.
"Nicht jede/jeder muss und kann ein Hightech-Startup aufsetzen. NoCode/LowCode und Plug and Play AI können jedoch in entsprechender Gründungsintelligenz sinnvoll kombiniert und vermarktet werden."
Prof. Dr. Nicolai Krüger
Professur für Wirtschaftsinformatik, IU Internationale Hochschule + Gründer von pitchnext
Wo liegt die Verbindung vom Studiengang „Wirtschaftsinformatik“ zu „Entrepreneurship"?
Eine großartige Frage, denn die Wirtschaftsinformatik hat sich – z.B. seit der Zeit in der ich mich nach meinem ersten Studium umgeschaut habe (2005) – extrem gewandelt: Die heutige Wirtschaftsinformatik beschäftigt sich weniger mit Operations Research oder relationalen Datenbanken. Viel mehr steht nunmehr der gesellschaftliche Wert der sogenannten Mensch-Aufgabe-Technik-Relation im Vordergrund. Wir wollen in der Wirtschaftsinformatik relevante Probleme unserer Zeit anpacken und lösen. Dazu nutzen und schaffen wir technologische Lösungen auf der Basis von Bits und Bytes (heute müsste man auch Qubits ergänzen). Vergleicht man das mit dem Anspruch den viele Gründerinnen und Gründer an sich haben, ergibt sich eine gewaltige Überschneidung! Insofern bietet die Wirtschaftsinformatik aus meiner Sicht eine optimale Grundvoraussetzung für Entrepreneurship und auch für Corporate Entrepreneurship, also Unternehmertum im eigenen Unternehmen.
Was denkst Du, kann ChatGPT bei der Gründung des eigenen Unternehmens helfen? Und wenn ja, wie?
Ich gehe diese Frage in meinem Buchkonzept „Gründungsintelligenz“ recht strukturiert an. Im Kern ist ChatGPT eine sogenannte generative Künstliche Intelligenz, basierend auf einem Large Language Model. Das bedeutet zunächst einmal, dass alle textbasierten Probleme hier eine randomisierte und dadurch kreativ wirkende Antwort finden. Doch das ist mit Vorsicht zu genießen: Gerade ChatGPT halluziniert, erfindet also falsche Fakten. Ich empfehle ChatGPT jedoch durchaus als kreativen Sparringspartner, dessen Antworten ich dann kritisch prüfe und diskutiere! Zum Beispiel kann ChatGPT (und auch andere Tools) ein Business Model Canvas für ein konkretes Problem ausformulieren, ein Gantt-Chart für einen Gründungsprozess skizzieren oder eine Landingpage mit HTML- oder Markupcode bauen. Das ist großartig, denn es spart im Kreativ- und Konzeptionsprozess viel Zeit. Ein Beispiel: Ich bitte zwei Gruppen von Studierenden ein StartUp für eScooter im Jahr 2030 zu erfinden. Die Informatik-Gruppe würde sich eine leere Code-Umgebung aufmachen und mit Zeile 1 des Codes für z.B. die Buchungs-App beginnen. Die BWL-Fraktion würde vielleicht einen Business Plan in Excel durchrechnen und die Monetarisierungsstrategie evaluieren. Wenn wir akzeptieren, dass die generative KI diese Aufgaben schneller und wahrscheinlich auch besser bewältigen wird, dann setzen beide Teams ihre Zeit nicht optimal ein. Außerdem ist KI interdisziplinär, wie wir es von Gründerteams erwarten! Folgerichtig wäre demnach, generative KI als Commodity (also gegebene und verfügbare Technologie) anzuerkennen und entsprechend einzusetzen. Im genannten Beispiel könnte das so aussehen: Das Team (gemischt aus den Disziplinen BWL und Informatik) stellt gemeinsam eine Vision für eScooter im Jahr 2030 auf und konfrontiert ChatGPT mit dieser Idee. Die KI erstellt eine entsprechende Landingpage inklusive Texte, schlägt GuV-Positionen für Kosten und Umsatz vor, ebenso wie mögliche Programmierschnittstellen zu weiteren Anbietern.
Du hast pitchnext gegründet. Was war Deine Motivation dafür?
pitchnext ist zwar im Kern eine Beratungsfirma, ursprünglich ist pitchnext jedoch mit einem Serious Game angetreten: Ich hatte in meiner freiberuflichen Beratung beobachtet, dass Unternehmen der Wandel in eine agile Organisation schwer fällt, wenn keine geeigneten Projekte mit Output-Orientierung vorliegen, an denen die neue Vorgehensweise geübt werden kann. Stellt Euch vor, ihr seid eine klassische Bank und wollt dieses Themenfeld New Work, Agilität usw. durchdringen. Das fällt im Alltag schwer. Mit dem Serious Game „KASIMO“ (Kanban Simulation Online) hatte ich immer einen kleinen digitalen Methodenkoffer dabei. Die Idee wurde dann auch vom Land NRW mit Drittmitteln unterstützt. Wenn ich mit StartUps zusammenarbeite ist das Problem umgekehrt: Hier kennt man NUR die agile Welt und sucht nach Kennzahlen, Prozessen und Strukturen, die den Wachstumskurs des Unternehmens tragen können. Zurück zur ursprünglichen Frage: Ich hatte das große Glück zu einem Zeitpunkt Führungskraft in einem großen Corporate zu werden, als die Digitalisierungs- und StartUp-Themen so richtig Fahrt aufnahmen. Als ich mich entschied die Konzernwelt zu verlassen war für mich klar: Diesen Spirit, meine Learnings und vor allem auch mein Netzwerk (akademisch wie beruflich) möchte ich in Eigenregie weitergeben können. Heute bietet die pitchnext GmbH daher Management-Literatur, Workshop-Formate für StartUps und etablierte Unternehmen und individuelle Innovationsreisen für Führungskräfte und Corporates an.
Eine simple Frage: Was, wenn Google [amazon/Microsoft/Apple] Deine Idee morgen umsetzt?
Was war Dein größtes „Learning“ beim Gründen?
Die Freiheit kommt zu einem Preis. Daher bin ich auch sehr dankbar, dass für mich die GmbH-Gründung eher aus Begeisterung, Leidenschaft usw. und nicht mit dem zwingenden Ziel der Erwerbsarbeit einherging. Mir begegnen heute oftmals Gründungswillige, die schlicht keine Lust auf eine Chefin/Chef haben. Das ist zu wenig! Denn wer sich mal durch den (gefühlt) 100-seitigen und verpflichtenden IHK-Anmeldebogen, das ebenfalls verpflichtende Transparenzregister oder andere nicht deligierbare Arbeiten gewühlt hat fragt sich schnell: Wie ist das nur zu schaffen? Deutsche Bürokratie zeigt einem leider täglich, dass sie nicht auf hippe StartUps und explorative Lean-StartUp-Ansätze gewartet hat. Beratung, VCs oder Business Angels können da zum Teil Support leisten, aber unterm Strich kommt man an einer gewissen Grundbeschallung formaler Hürden nicht vorbei.
Was ist Deine Vision und Mission in Bezug auf Entrepreneurship an der IU?
Ich würde mir wünschen, dass Entrepreneurship als Angebot in allen Fachrichtungen angeboten würde. Mein Vorbild ist hier die Stanford Universität, wo man z.B. im Informatikstudium alles beigebracht bekommt, um als selbständiger Entwickler/Entwicklerin in den USA klarzukommen. Die persönlichen Gespräche (im dualen Studium) mit meinen Studierenden zeigen mir, dass hier großes Interesse besteht. Man sollte sich klarmachen: Wir leben in einer Zeitenwende! Jetzt stehen junge Menschen in den Startlöchern, die grundlegend andere Perspektiven auf die Probleme unserer Zeit haben als wir vor 10, 20 oder 30 Jahren! Man stelle sich vor: Eine Gründungsidee, die KI und Wasserstoffinfrastrukturmanagement löst; in unserer Zeit, im Vergleich zur Jahrtausendwende!
Mehr Informationen zu pitchnext
Mehr Informationen zu we Female Founders
Mit meiner über 10-jährigen Erfahrung im Startup-Corporate-Ökosystem und als Gründerin selbst, unterstütze ich als „Projektleitung Entrepreneurship & Innovation“ aus dem Rektoratsteam angehende Gründer:innen bei der Entwicklung ihrer Ideen bis zur Gründung ihres Unternehmens selbst. Besondere Freude bereiten mir die Gespräche und Interviews mit unseren Gründer:innen, Professor:innen und Studierenden rund um das Thema „Entrepreneurship“, bei denen ich auch mal hinter die Kulissen blicken darf.
Sabrina
Projektleitung Entrepreneurship & Innovation
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